Anspruch Patienten

Anspruch

Anspruch auf Versorgung mit Medizinalcannabis

Seit dem 10. März 2017 dürfen Ärzte (Zahn- und Tierärzte ausgenommen), Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen unter bestimmten Voraussetzungen Medizinalcannabis, u. a in Form von getrockneten Blüten und Extrakten in standardisierter Qualität sowie Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon, zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnen.

Wann eine Erkrankung als „schwerwiegend“ definiert wird, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in § 44 Abs. 5 Arzneimittel-​Richtlinie konkretisiert: „Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.“

Voraussetzungen für die Kostenerstattung durch die Krankenkasse

Neben dem Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung haben Patienten gemäß § 31 Abs. 6 SGB V Anspruch auf eine Behandlung mit Medizinalcannabis wenn

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

  • nicht zur Verfügung steht oder
  • im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustands des Patienten nicht angewendet werden kann, und

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Zusammengefasst:

Indikationen für eine Cannabisbehandlung

Eine Behandlung mit Medizinalcannabis ist im Grunde nie heilend, sondern stets symptomverringernd bzw. -verbessernd. Vor diesem Hintergrund sind Medizinalcannabisverordnungen nicht an eine bestimmte Indikation geknüpft, sondern liegen im Ermessen des behandelnden Arztes.

Medizinalcannabis kann bei verschiedenen Erkrankungen und Symptomen eingesetzt werden, da Cannabis viele Wirkstoffe wie beispielsweise die Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) enthält, die mit dem körpereigenen Endocannabinoid-System interagieren. Dieses System reguliert wichtige physiologische Prozesse wie Schmerzempfindung, Entzündungen, Stimmung, Schlaf und Appetit.

Mögliche Anwendungsgebiete cannabishaltiger Arzneimittel sind daher:

  • Chronische/starke Schmerzen (z. B. Phantomschmerzen, Migräne)
  • Neurologische Erkrankungen (z. B. Multipler Sklerose, Epilepsie, Tourette-Syndrom)
  • Appetitlosigkeit, Erbrechen und schwere Übelkeit (z. B. während einer Chemotherapie, bei HIV- und Aidspatienten oder anderen chronischen Erkrankungen)
  • Chronisch entzündliche Erkrankungen (z. B. Rheuma, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa)
  • Bestimmte Formen von Epilepsie
  • Psychiatrische Erkrankungen (z. B. Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder ADHS)

Generell soll die Anwendung von Medizinalcannabis im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts erfolgen und unter Abwägung und Beachtung vorhandener Vor- und Nachteile bzw. zu erwartender Symptombesserung versus potenzieller Risiken und Kontraindikationen. Mit der Entscheidung über die Therapienotwendigkeit und der Verschreibung von Medizinalcannabis übernimmt der behandelnde Arzt grundsätzlich die haftungsrechtliche und wirtschaftliche Verantwortung für die Behandlung.

Vorabgenehmigung

Sind alle Bedingungen erfüllt und entscheiden sich Arzt und Patient für eine Behandlung mit Medizinalcannabis, muss vor Therapiebeginn (oder bei einem grundlegenden Therapiewechsel) eine Genehmigung bei der gesetzlichen Krankenkasse des Patienten eingeholt werden. Auch bei Privatversicherten wird dies empfohlen.

Der Genehmigungsantrag muss vom Versicherten eingereicht werden, jedoch sollte er ärztlicherseits unterstützt werden: Die Behandlungsnotwendigkeit muss vom Arzt ausführlich begründet werden.

Erst nach erfolgter Antragsbewilligung darf der Arzt Medizinalcannabis auf einem Kassenrezept zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnen.

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht gelten für Cannabisverordnungen, die im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sowie durch bestimmte Arztgruppen erfolgen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 18.07.2024 insgesamt 16 Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen sowie 5 Zusatzbezeichnungen festgelegt, die von der Genehmigungspflicht ausgenommen sind. Der Beschluss wird voraussichtlich Ende September 2024 in Kraft treten. Bis zu diesem Zeitpunkt sind alle Ärzte weiterhin verpflichtet, eine Vorabgenehmigung einzuholen.

Ärzte, die künftig Medizinalcannabis ohne Vorabgenehmigung zulasten der GKV verordnen dürfen:

  • Facharzt für Allgemeinmedizin
  • Facharzt für Anästhesiologie
  • Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie
  • Facharzt für Innere Medizin
  • Facharzt für Innere Medizin und Angiologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
  • Facharzt für Neurologie
  • Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin
  • Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Auch Ärzte anderer Fachrichtungen sollen Medizinalcannabis ohne Genehmigung verordnen können, wenn sie eine der folgenden Zusatzbezeichnungen erworben haben:

  • Zusatzbezeichnung Geriatrie
  • Zusatzbezeichnung Medikamentöse Tumortherapie
  • Zusatzbezeichnung Palliativmedizin
  • Zusatzbezeichnung Schlafmedizin
  • Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie
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