Antragstellung zur Kostenübernahme Patienten

Antragstellung zur Kostenübernahme

Voraussetzungen für die Antragstellung zur Kostenübernahme

Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übernimmt die Kosten für eine Therapie mit Medizinalcannabis (d. h. mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon) nur bei schwerwiegenden Erkrankungen.

Eine Krankheit ist gemäß § 44 Abs. 5 Arzneimittel-​Richtlinie dann schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.

Außerdem darf eine

1. allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

  • nicht zur Verfügung stehen oder
  • im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten nicht anwendbar sein und es muss

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen.

Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 31 Abs. 6 SGB V.

Zusammengefasst:

Genehmigungsantrag

Vor der erstmaligen Verordnung von Medizinalcannabis oder bei einem grundlegenden Therapiewechsel muss der Patient die Genehmigung bei seiner Krankenkasse einholen. Da das Gesetz nicht nur auf Rezepturarzneimittel beschränkt ist, muss auch für den Einsatz der Fertigarzneimittel (z. B. Sativex® und Canemes®), sofern diese außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen eingesetzt werden (Off-Label-Use), eine Genehmigung beantragt werden.

Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht gilt für Cannabisverordnungen in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und künftig, wenn die Verschreibung durch bestimmte Arztgruppen erfolgt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 18.07.2024 insgesamt 16 Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen sowie 5 Zusatzbezeichnungen festgelegt, die von der Genehmigungspflicht ausgenommen sind. Der Beschluss wird voraussichtlich Ende September 2024 in Kraft treten. Bis zu diesem Zeitpunkt sind alle Ärzte weiterhin verpflichtet, eine Vorabgenehmigung einzuholen.

Ärzte, die künftig Medizinalcannabis ohne Vorabgenehmigung zulasten der GKV verordnen dürfen:

  • Facharzt für Allgemeinmedizin
  • Facharzt für Anästhesiologie
  • Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie
  • Facharzt für Innere Medizin
  • Facharzt für Innere Medizin und Angiologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
  • Facharzt für Neurologie
  • Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin
  • Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Auch Ärzte anderer Fachrichtungen sollen Medizinalcannabis ohne Genehmigung verordnen können, wenn sie eine der folgenden Zusatzbezeichnungen erworben haben:

  • Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie
  • Zusatzbezeichnung Geriatrie
  • Zusatzbezeichnung Medikamentöse Tumortherapie
  • Zusatzbezeichnung Palliativmedizin
  • Zusatzbezeichnung Schlafmedizin

Achtung: Eine erneute Genehmigung ist nicht erforderlich für Folgeverordnungen, bei einem Arztwechsel, Dosisanpassungen oder einem Wechsel innerhalb der Blüten oder Extrakte in standardisierter Form.

Übersicht: Wann muss ein Genehmigungsantrag gestellt werden?

Vor der Erstverordnung
(Achtung: entfällt künftig für bestimmte Arztgruppen)
JA
Bei einem ArztwechselNEIN
Für FolgeverordnungenNEIN
Bei einer DosisanpassungNEIN
Bei einem Sortenwechsel getrockneter BlütenNEIN
Bei einem Extraktwechsel in standardisierter QualitätNEIN
Bei einem grundlegenden Therapiewechsel, z. B.: von Cannabisblüten auf Dronabinol
(Achtung: entfällt künftig für bestimmte Arztgruppen)
JA
Für SAPV-VerordnungenNEIN

Patient reicht die Genehmigung ein

Grundsätzlich muss der Patient die Genehmigung bei seiner Krankenkasse einholen. Der behandelnde Arzt muss ihn jedoch dabei unterstützen: Für den Genehmigungsantrag muss der Arzt die Art und den Schweregrad der vorliegenden Erkrankung bzw. Symptomatik in einer formlosen Stellungnahme darlegen, inklusive aller bisherigen nicht wirksamen oder nicht vertragenen Therapien. Außerdem muss in dem Antrag die Form, die Dosis und die Art der Einnahme beschrieben und begründet werden (siehe Musterformulare weiter unten).

Fristen

Die Krankenkasse muss innerhalb von drei Wochen (bei Erfordernis einer gutachterlichen Stellungnahme fünf Wochen) über den Antrag entscheiden. Bei der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) und ambulanten Fortführung einer stationär begonnenen Therapie beträgt die Frist drei Tage.

Musterformulare

Das Antragsschreiben des Patienten wird zusammen mit dem ausgefüllten Arztfragebogen bei der entsprechenden Krankenkasse eingereicht. Vor der Antragstellung ist es empfehlenswert, praktische Überlegungen anzustellen und mit der entsprechenden Krankenkasse abzuklären, ob ein spezielles individuelles Antragsformular bereitgestellt wird.

Die folgenden Musterformulare dienen als Hilfestellung:

>> Musterantrag auf eine Cannabistherapie nach § 31 Abs. 6 SGB

>> Arztfragebogen zu Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V

Hinweis: Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist keine zwingende Bedingung für die Verordnung. Patienten können Medizinalcannabis – sofern medizinisch indiziert und begründet – auch auf eigene Kosten erhalten (Privatverordnung).

Genehmigungsantrag abgelehnt

Laut Gesetz darf die Krankenkasse einen Genehmigungsantrag nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen, was umso unwahrscheinlicher ist, je detaillierter die Begründung dargestellt wurde. Anders ausgedrückt: In der Regel ist die Krankenkasse verpflichtet, die Kosten für die Cannabistherapie zu tragen, sofern die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.

Lehnt die Krankenkasse den Antrag dennoch ab, dann haben Betroffene die Möglichkeit, innerhalb von einem Monat nach Erhalt des Ablehnungsschreibens Widerspruch einzulegen.

Nachfolgend eine Übersicht häufiger Ablehnungsgründe sowie Hinweise, die bei einem Widerspruch helfen können.

Nicht alle verfügbaren Behandlungsoptionen wurden ausgeschöpft

Häufig werden Anträge mit der Begründung abgelehnt, dass nicht alle verfügbaren Alternativtherapien ausgeschöpft wurden. Daher ist es von großer Bedeutung, dass der behandelnde Arzt eine fundierte und nachvollziehbare Begründung liefert, die darlegt, warum die beantragte Cannabistherapie notwendig ist. Diese Begründung sollte auch aufzeigen, welche Alternativen bereits geprüft und/oder ausprobiert wurden und aus welchen Gründen diese als nicht sinnvoll erachtet werden.

Um dies zu gewährleisten, muss der behandelnde Arzt die relevanten Therapieleitlinien für die Behandlung der spezifischen Erkrankung oder Symptomatik umfassend kennen. Gegebenenfalls kann der Arzt auch den Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) kontaktieren, sofern dieser von der Krankenkasse beauftragt wurde, um gezielt nachzufragen, welche Behandlungsoptionen seiner Meinung nach noch nicht oder nicht ausreichend angewendet wurden.

Zweifel an der Schwere der Erkrankung

Wenn die Schwere der Erkrankung in Frage gestellt wird, sollte eine detaillierte Übersicht über alle relevanten Diagnosen des jeweiligen Patienten erstellt werden. Diese Übersicht sollte umfassend die Lebenssituation des Patienten darstellen, einschließlich der Auswirkungen auf seine Lebensqualität. Verfügt der behandelnde Arzt über spezielle Qualifikationen, wie etwa eine Weiterbildung in Schmerztherapie, sollte dies ebenfalls ausdrücklich erwähnt werden. Dies kann dazu beitragen, zu verdeutlichen, dass eine gründliche Analyse stattgefunden hat und die erforderliche Fachkompetenz vorhanden ist, um den Schweregrad der Erkrankung korrekt einzuschätzen.

Es ist nicht selten, dass Patienten bereits vor dem Genehmigungsantrag Cannabis konsumiert haben. Daher ist es wichtig, dass der Patient genau dokumentiert, wie es ihm vor und nach dem Cannabiskonsum erging. Dies umfasst Angaben zur Konsumdauer, Dosierung sowie den gewünschten und gegebenenfalls unerwünschten Wirkungen. Auch Zeugenaussagen von nahestehenden Personen, wie Eltern oder Partnern, können hilfreich sein und sollten gegebenenfalls nachgereicht werden.

Hinweis: Wenn ein Patient positive Erfahrungen mit dem Konsum von Cannabis gemacht hat und bereits regelmäßig Cannabis verwendet, kann es sinnvoll sein, die Einnahme 2–3 Tage vor dem Termin bei einem beauftragten Gutachter auszusetzen. Dies ermöglicht dem Gutachter, den tatsächlichen Schweregrad der Erkrankung besser einzuschätzen.

Auferlegte Einschränkungen seitens der Krankenkasse sind nicht rechtmäßig

Wenn die Krankenkasse nur eine befristete Genehmigung erteilt, sollte Widerspruch gegen diese zeitliche Beschränkung eingelegt werden. Nach § 31 Abs. 6 SGB V ist lediglich ein Genehmigungsantrag für die Erstverordnung (bzw. bei einem grundlegenden Therapiewechsel) erforderlich, nicht jedoch für die fortlaufende Therapie. Dies deutet darauf hin, dass eine Befristung nicht notwendig und vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist.

Auch eine mögliche Mengenbegrenzung des zu verordnenden Medizinalcannabis ist rechtlich nicht zulässig. Gemäß § 31 Abs. 6 SGB V muss lediglich die Versorgungsleistung genehmigt werden, ohne dass Vorgaben zu den Inhalten der Behandlung – wie etwa Verordnungsmenge, -dauer oder -art des verwendeten Medizinalcannabis – gemacht werden dürfen. In solchen Fällen sollte daher ebenfalls Widerspruch eingelegt werden.

Neben dem eigentlichen Widerspruch hat jeder Patient die Möglichkeit, ein Gegengutachten gemäß § 109 SGG zu beantragen. Allerdings ist zu beachten, dass dies in der Regel mit erheblichen Kosten verbunden ist.

Wenn der Widerspruch ebenfalls erfolglos ist, bleibt lediglich die Möglichkeit, Klage beim zuständigen Sozialgericht einzureichen.

Zuzahlung

Liegt eine Bewilligung der Krankenkasse vor, übernimmt die Krankenkasse alle Kosten für die Therapie mit Medizinalcannabis. Die Genehmigung befreit den Patienten jedoch nicht von der gesetzlichen Zuzahlungspflicht. Das bedeutet, dass wie bei anderen Arzneimitteln auch, die gesetzliche Zuzahlung in Höhe von 10 % des Arzneimittelpreises, jedoch maximal 10,00 Euro und mindestens 5,00 Euro, weiterhin zu entrichten ist.

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