Erfurt · An der Fachhochschule Erfurt können sich Studierende des Bachelor-Studiengangs „Gärtnerischer Pflanzenbau“ intensiv mit Cannabis beschäftigen. Denn die Grundlagen der Züchtung und Produktion stehen dort neuerdings auf dem Stundenplan.
Das neue Cannabis-Gesetz ist seit dem 1. April in Deutschland in Kraft. Besitz und Anbau von Cannabis sind damit für Erwachsene unter bestimmten Vorgaben legal. Zudem können Konsumenten Cannabis über nicht-kommerzielle Anbauvereinigungen beziehen. Die Teillegalisierung von Cannabis ist auch für Forschung und Wissenschaft bedeutsam. Noch gibt es nur wenige Hochschulen überhaupt in Deutschland, die sich in Forschung und Lehre mit der Pflanze beschäftigen. Eine davon ist die FH Erfurt.
Schon seit einigen Jahren sei bei den Studierenden der Fachrichtung Gartenbau ein steigendes Interesse an der Pflanze zu beobachten – bislang vor allem als Medizinalhanf, so Wim Schwerdtner, Studiengangsleiter der Fachrichtung Gartenbau. „Durch die Streichung von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz und die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz steigt auch die Nachfrage nach Cannabis-Produkten. Jedoch gibt es bislang fast keine professionelle Produktion in Deutschland, keinerlei wissenschaftliche Ausbildung und Forschung. Das wollen wir ändern“, sagt Schwerdtner, der die wichtigsten Fragen rund um das Cannabis-Studium beantwortet:
Warum ist die Pflanze für die Forschung interessant?
„Im Gartenbau beschäftigen wir uns mit der Intensivproduktion von Nutz- und Zierpflanzen unter professionellen Bedingungen. Das unterscheidet uns von Hobby-Gärtnern. Cannabis ist für uns eine weitere spannende Pflanze und ein vielfältiger Rohstoff – sei es als Faserhanf für die Kleidungsproduktion, als Medizinalhanf für die Therapie, als Lebensmittel, als Kosmetik-Grundstoff oder jetzt auch als Genussmittel“, sagt Wim Schwerdtner. In der Fachrichtung Gartenbau beschäftigen sich die Studierenden grundsätzlich mit Obst, Gemüse, Zierpflanzen und der Baumschule. Dabei geht es auch darum, Pflanzen durch Züchtung zu verbessern, beispielsweise ertragreicher oder widerstandsfähiger zu machen. „Cannabis war aber über viele Jahre im Anbau verboten – das heißt, man weiß gar nicht so viel über die Pflanze, obwohl wir jetzt vor einer steigenden Nachfrage stehen“, so der Professor.
Ist es überhaupt legal, Cannabis an der Hochschule anzubauen?
„Die Forschung an Cannabis ist in Deutschland genehmigungspflichtig“, betont Wim Schwerdtner. Um auf der sicheren Seite zu bleiben und Einbruchsschäden vorzubeugen, werde sich die FH Erfurt auf ihrem Campus komplett auf THC-freien Hanf beschränken, also die Pflanzen, die den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol nicht enthalten. „Da die Biologie der Pflanze jedoch gleich ist, macht es pflanzenbaulich keinen Unterschied, welche Sorte wir kultivieren“, so Schwerdtner. „Die Unterschiede ergeben sich im Detail, etwa bei den Inhaltsstoffen.“ Grundsätzlich lege die Hochschule den Fokus ihrer wissenschaftlichen Ausbildung auf die Produktion von Pflanzen, ihre Züchtung und Vermehrung – nicht auf ihre Verwertung.
Ja. Cannabis ist der lateinische Name für Hanf. „Allerdings benutzt man den Namen Hanf oft eher für den Nutzhanf, etwa für die Stoff- und Seilproduktion, während man bei Cannabis eher auf die THC-haltigen Varietäten anspielt“, erklärt Wim Schwerdtner. Übrigens sei Cannabis eine alte Kulturpflanze, die in ganz Europa gewachsen sei und vor allem für ihre Fasern in der Textilproduktion geschätzt worden sei. „Als ihre berauschende Wirkung bekannt wurde, hat man im 20. Jahrhundert ein komplettes Verbot ausgesprochen – dabei enthält längst nicht jede Cannabis-Pflanze THC.“ Im übrigen sei das Gewächs, das mit dem Hopfen verwandt ist, sehr anspruchslos: Hanf wachse im Freiland auf mittelschweren Böden, braucht viel Sonne und verträgt keine Staunässe.
Was erwartet die Studierenden?
Zunächst gebe es viele junge Menschen, die Interesse an der Pflanze Cannabis hätten, so der Erfurter Studiengangsleiter. „Und natürlich ist das eine Zielgruppe, die für uns interessant ist.“ Im Studium liege der Fokus auf einer praxisnahen Ausbildung. Insbesondere durch eigene Versuche im Freiland und im Gewächshaus sollen die Studierenden die Besonderheiten einer professionellen Produktion von Cannabis praktisch kennenlernen. „Damit sind wir eine der wenigen Hochschulen in Deutschland, die eine wissenschaftliche Ausbildung am Cannabis ermöglichen.“ Ab dem dritten Semester können die Pflanzenbau-Studierenden verschiedene Module mit Cannabis-Bezug wählen, wenn sie möchten. Diese reichen inhaltlich von der Züchtung und Vermehrung über den Anbau in verschiedenen Systemen bis hin zur Vermarktung. Zum Studium gehört außerdem, in die Praxis zu schnuppern: „Bei Partner-Unternehmen geht es dann beispielsweise um Nutz-Hanf in der Faser-Herstellung, oder Hanf in der Lebensmittelproduktion. Wir kooperieren aber auch mit Unternehmen, die THC-haltigen Medizial-Hanf für die Schmerztherapie herstellen, oder mit den so genannten Social Clubs, die Konsum-Hanf produzieren.“ Im vierten Semester folgt dann eine halbjährige Praxisphase. Dort können die Studierenden in einem dieser Unternehmen ihre Kompetenzen erweitern. „Letztendlich ist es möglich, 40 Prozent der Credit-Points im Bachelor-Studium komplett mit Cannabis-Inhalten zu erreichen, wenn man seine Wahlkurse entsprechend aussucht“, so Wim Schwerdtner.
Welches Job-Potenzial ergibt sich aus dem Cannabis-Studium?
Als einzige Hochschule war die FH Erfurt auf Europas größter Cannabis-Messe, der „Mary Jane“ in Berlin, mit 400 Ausstellern und rund 40.000 Besuchern vertreten. „Die Resonanz auf unser Studienangebot war sehr positiv. Jeder, der im Augenblick Cannabis produzieren und vermarkten möchte, braucht gut qualifiziertes Personal. Genau das konnte aber bisher aufgrund der herrschenden Verbote nicht ausgebildet werden – unser Studienangebot ist daher eines der ersten, das diese Lücke schließt, sagt Wim Schwerdtner.
Wer kann Gärtnerischen Pflanzenbau in Erfurt studieren?
Jeder, der die Immatrikulationsvoraussetzungen erfüllt, also eine entsprechende Hochschulzugangsberechtigung hat, und ein achtwöchiges Vorpraktikum in einem Gartenbaubetrieb gemacht oder eine abgeschlossene gärtnerische Berufsausbildung hat. Ansonsten ist der Studiengang NC-frei, heißt also, jede und jeder, der sich bis zum 15. September bewirbt, bekommt einen Platz.
Info
Bewerbung für das Studium „Gärtnerischer Pflanzenbau“
Studium Der Bachelor-Studiengang „Gärtnerischer Pflanzenbau“ n der FH Erfurt dauert sechs Semester. Durch die Auswahl von so genannten Wahlpflichtmodulen, können Studierende einen Schwerpunkt auf Cannabis legen.
Bewerbung Für den Studiengang kann man sich ohne Numerus Clausus bis zum 19. September bewerben. Weitere Infos gibt es unter https://www.fh-erfurt.de.
Quelle: rp-online.de