Los Angeles – Ein Joint ist für die Schleimhaut in Mund, Nase, Rachen und Kehlkopf vermutlich nicht weniger schädlich als eine Tabakzigarette. Eine Studie in JAMA Otolaryngology-Head & Neck Surgery (2024; DOI: 10.1001/jamaoto.2024.2419) ermittelt ein 3,5- bis 5-fach erhöhtes Risiko auf Kopf-Hals-Tumore.
Tabakrauch ist der wichtigste Risikofaktor für Mundhöhlenkarzinome, Pharynxkarzinome, Larynxkarzinome und andere bösartige Tumore im Kopf-Hals-Bereich.
Der Grund sind die zahlreichen krebserzeugenden Stoffe, darunter polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Nitrosamine, die in der Glut der Zigarette entstehen und bei der Inhalation auf die Schleimhäute einwirken. Es kommt zu DNA-Schäden und Entzündungsreaktionen, die die neoplastische Transformation der Epithelzellen fördern.
Der Rauch von Cannabis ist keinesfalls frei von Karzinogenen. Ihre Konzentration könnte sogar höher sein, da die Temperatur in der Glut höher ist als bei Zigaretten. Außerdem erreicht der Rauch – anders als bei Zigaretten –die Atemwege ungefiltert. Hinzu kommt, dass es bei vielen Konsumenten nicht bei dem einen oder anderen Joint bleibt. Einige entwickeln eine Abhängigkeit, die eine Behandlung notwendig macht.
Ein Team um Niels Kokot von der University of Southern California in Los Angeles hat in den Daten von TriNetX, das Zugriff auf die elektronischen Krankenakten von mehr als 90 Millionen Amerikanern hat, 115.865 Patienten gefunden, die in den vergangenen 20 Jahren wegen einer Cannabis-bedingten Störung in ärztlicher Behandlung waren. In einer Propensity-Analyse wurden sie einer gleichen Anzahl von Personen mit ähnlichen Eigenschaften aber ohne auffälligen Cannabiskonsum gegenübergestellt.
Endpunkt war die Zahl der Kopf-Hals-Tumore in den Jahren nach der Diagnose der Cannabis-bedingten Störung. Kokot ermittelt ein relatives Risiko (RR) von 3,49 für alle Kopf-Hals-Tumore, das mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 2,78 bis 4,39 signifikant war. Das Risiko stieg auf 4,40 (3,21-6,01), wenn die Diagnose der Cannabissucht mindestens ein Jahr zurück lag. Nach mehr als 2 Jahren stieg das relative Risiko sogar auf 5,00 (2,62-9,56).
Am höchsten war das Risiko auf Larynxkarzinome (RR 8,39; 4,72-14,90), gefolgt von oropharyngealen Karzinomen (RR 4,90; 2,99-8,02), nasopharyngealen Karzinomen (RR 2,60; 1,25-5,39) und oralen Karzinomen (RR 2,51; 1,81-3,47).
Die Risiken waren bei jüngeren und älteren Erwachsenen ähnlich hoch, so dass weniger das Alter als die Dauer des Cannabiskonsums eine Rolle spielt. Die Diagnose einer Cannabiskonsumstörung ist hier allerdings ein ungenauer Marker.
Die TriNetX-Daten liefern keine Hinweise, wie häufig die Versicherten Cannabis konsumiert hatten. Auch der Konsum von Zigaretten und Alkohol (ebenfalls ein wichtiger Risikofaktor) war nicht bekannt. Die von Kokot vorgestellten Berechnungen dürften deshalb nur eine erste grobe Schätzung sein. © rme/aerzteblatt.de