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Auffällig viele Cannabisblüten für junge Männer

Das BfArM hat die Rezepte von zehn Apotheken ausgewertet, die 2021 die größten Mengen Cannabisblüten abgegeben haben. Die Ergebnisse deuten darauf hin, »dass eine Versorgung mit Cannabisblüten erfolgt, die der Gesetzgeber so nicht bezweckt hat«.

Seit 2017 dürfen Ärzte Cannabisblüten und Cannabisextrakte zu medizinischen Zwecken verordnen. Schon bald fiel eine erstaunliche Diskrepanz zwischen den Verordnungen zulasten der Gesetzlichen Krankenkassen und den tatsächlich abgegebenen Mengen auf. Denn zwischen 2020 und 2021 stiegen die Cannabisverordnungen zulasten der GKV von 340.165 auf 372.071, also um weniger als 10 Prozent. Dagegen nahm der Bedarf an Cannabisblüten zur Patientenversorgung in den Apotheken im gleichen Zeitraum von 6297 kg auf 9007 kg um mehr als 43 Prozent zu.

Diese Diskrepanz ist im streng regulierten Markt für Betäubungsmittel nur durch eine verstärkte privatärztliche Verschreibung, insbesondere von Cannabisblüten, zu erklären. Diese Hypothese unterzog das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nun einer Überprüfung. Auf Basis des § 12 Absatz 4 Satz 1 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung wertete das BfArM Betäubungsmittelrezepte mit Verschreibungen von Cannabis-Arzneimitteln aus zehn in Deutschland ansässigen Apotheken aus, die im Jahr 2021 45 Prozent der Gesamtmenge an Cannabis zu medizinischen Zwecken erworben hatten.

Zunächst schaute sich das BfArM mindestens 500 Rezepte pro Apotheke an, die ab dem 01. Januar 2021 beliefert wurden. Dabei wurde neben dem Alter und dem Geschlecht der Patienten auch erhoben, ob die Verordnung durch einen Facharzt oder durch einen Allgemeinmediziner ausgestellt war, und welches Cannabis-Arzneimittel in welcher Menge verordnet worden waren. Auch Angaben zur Dosierung und Art der Anwendung wurden überprüft.

Im Anschluss an diese Überprüfung wurden weitere 200 Rezepte nach den gleichen Parametern ausgewertet, die dort ab dem 01.11.2021 beliefert wurden. Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt von Dr. Peter Cremer-Schaeffer und Solveig Langer im »Deutschen Ärzteblatt« publiziert.

Vor allem Hausärzte stellten Privatrezepte aus

Es zeigte sich, dass von den 7075 ausgewerteten Rezepten auf 6812 (96,3 Prozent) Cannabisblüten verschrieben wurden. Bei mehr als zwei Dritteln (70,6 Prozent) der Verordnungen handelte es sich um Privatrezepte. Die meisten Verschreibungen wurden durch Hausärzte veranlasst. Diese verschrieben knapp 2000 Mal Cannabisprodukte auf Privatrezept und gut 1000 Mal entsprechende Produkte auf Kassenrezept.

Die deutliche Mehrzahl der Verordnungen (83,2 Prozent) war für Männer ausgestellt, von denen nahezu ein Drittel (30,6 Prozent) nicht älter als 30 Jahre waren. Der Altersdurchschnitt der Patientinnen und Patienten lag bei 39 Jahren.

Die Autoren stellen sich die Frage, auf welcher Grundlage die Verschreibung erfolgt, wenn auf die Antragstellung zur Kostenerstattung verzichtet wird. Denn ein Ziel des Cannabis-Gesetzes aus 2017 war es, vor allem die schwer Erkrankten zu versorgen, die auf verfügbare Arzneimittel nicht ausreichend ansprechen und von einer Therapie mit Cannabis-Arzneimitteln profitieren könnten.

Allerdings gilt diese Begrenzung nicht zwingend, sondern nur für die Fälle, in denen die Solidargemeinschaft die Kosten übernimmt. So halten es auch die Autoren der Studie für plausibel, dass es zum einen der hohe Männeranteil und das geringe Durchschnittsalter, zum anderen aber auch die große Zahl der Verordnungen auf Privatrezepten es möglich erscheinen lassen, dass in vielen Fällen eine Versorgung mit Cannabisblüten erfolgt, die der Gesetzgeber so nicht bezweckt hat.

Sie stellen fest: »Die unterschiedliche Verordnungsmenge auf Privat- und Kassenrezepten ist am ehesten kostenbedingt, könnte aber auch darauf zurückzuführen sein, dass bei geringem therapeutischen Bedarf auf die Antragstellung zur Kostenerstattung verzichtet wird.«

DOI: 10.3238/arztebl.m2024.0026

Quelle: www.pharmazeutische-zeitung.de

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