Berlin, 20.03.2019. Der Zugang zu medizinischem Cannabis sollte schwerstkranken Menschen nicht unnötig er-schwert werden, deshalb sei der im Sozialgesetzbuch im März 2017 festgeschriebene Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen abzuschaffen. Dies wird im Rahmen der heutigen öffentlichen Anhörung zu medizinischem Cannabis im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages gefordert. Den Zugang zu Cannabis und Can-nabinoiden für Patienten in der Palliativversorgung unterstützt auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedi-zin (DCP). „Cannabis hilft aber nur einigen wenigen Patienten und ist kein genereller Ersatz für andere Medika-mente wie zum Beispiel Opioide.“, so Prof. Dr. Lukas Radbruch, Präsident der DCP.
Mit dem Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften wurde im März 2017 die gesetzliche Grundlage für die Verordnung von Cannabis als Medizin geschaffen. Schwerstkranke Patientinnen und Patienten – Radbruch nennt z.B. Patientinnen mit spastischen Schmerzen bei Multipler Sklerose oder Pati-enten mit Übelkeit unter einer Chemotherapie – haben nach ärztlicher Indikationsstellung die Möglichkeit, Cannabis zu therapeutischen Zwecken in standardisierter Qualität zu erhalten. Für gesetzlich Versicherte wurde die Erstattungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen. In § 31 Absatz 6 des Fünften Bu-ches Sozialgesetzbuch (SGB V) ist für die erste Verordnung von medizinischem Cannabis, die ein Patient oder eine Patientin durch eine Ärztin oder einen Arzt erhält, eine Genehmigung der Krankenkassen vorgesehen.
Diesen Genehmigungsvorbehalt aus dem SGB V zu streichen, ist das Anliegen der Anträge der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in letzterem heißt es: Der Genehmigungsvorbehalt „kann dazu führen, dass die Linderung der Beschwerden von Patientinnen und Patienten hinausgezögert oder gänzlich verhindert wird. Patientinnen und Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf die Versorgung mit Cannabis, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder eine solche Leistung nach Einschätzung der Ärztin oder des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und des Krankheitszustands nicht zur Anwendung kommen kann.“
Die DCP weist darauf hin, dass Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis insbesondere im Vergleich zu anderen Behandlungsverfahren fehlen und deshalb dringend Geld für mehr Forschung benötigt wird, um den Stellenwert von Cannabis in der Behandlung von Schwerstkranken bewerten und sicherstellen zu können, damit Cannabis bei den Patientinnen eingesetzt wird, denen es wirklich hilft.
Die Genehmigungspflicht bezieht sich aber nur auf die Übernahme der Behandlungskosten durch die Kranken-kasse. Die Erteilung der Genehmigung wiederum schützt den Arzt/die Ärztin vor nachträglichen Überprüfungen, wie sie sonst von den Krankenkassen für andere Behandlungen immer wieder durchgeführt werden, und kann durch die Zusicherung der Kostenübernahme deshalb sogar einen Vorteil für den Arzt oder die Ärztin bieten.
Weiter betonen die Antragsteller: „Ärztinnen und Ärzten wird die Therapie ihrer Patientinnen und Patienten erheblich erschwert. Die Möglichkeit, eine passgenaue Medikation durch das Ausprobieren verschiedener Can-nabissorten in niedriger Dosierung zu finden, wird quasi verhindert, da nach Auskunft von Betroffenen für jede neue Erstverordnung ein weiteres Genehmigungsverfahren durchlaufen werden muss. Dabei entsteht für Pati-entinnen und Patienten eine wochenlange Unsicherheit, oft verbunden mit einer unzumutbaren Verlängerung der zu behandelnden Symptome.“
Auch nach Einschätzung der DCP ist eine solche erneute Genehmigung bei einem Wechsel des Präparats abzu-lehnen. Die DCP begrüßt deshalb, dass mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), das in diesem Jahr in Kraft treten soll, diese Neubeantragung abgeschafft werden soll.
ÖFFENTLICHE ANHÖRUNG AUSSCHUSS FÜR GESUNDHEIT 20.3.19
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. (DCP): Deren 6.000 Mitglieder aus Medizin, Pflege und weiteren Berufsgruppen engagieren sich für eine umfassende multiprofessionelle Palliativ- und Hospizversorgung in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Im Zentrum steht die bestmögliche medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Behandlung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen sowie ihrer Angehörigen. Gemeinsames Ziel ist es, für weitgehende Linderung der Symptome und Verbesserung der Lebensqualität zu sorgen – in welchem Umfeld auch immer Betroffene dies wünschen. www.palliativmedizin.de