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Was bedeutet der G-BA Beschluss für die ärztliche Praxis? – Eine Einschätzung von Dr. Franjo Grotenhermen

Der Gemeinsame Bundesausschuss ist zu einem Ergebnis gelangt. Bis zum Beschluss am 18. Juli 2024 hat er einen langen Weg zurückgelegt. In den ACM-Mitteilungen Vom 12. November 2022 berichteten wir davon, dass der G-BA ursprünglich die Verschreibungsfähigkeit von Medizinalcannabis durch Allgemeinmediziner grundsätzlich verbieten wollte. Jetzt fast 2 Jahre später zählt diese Arztgruppe zu denen, die vor der Verschreibung von cannabisbasierten Medikamenten keinen Antrag mehr auf eine Kostenübernahme stellen müssen. Ein sensationeller Sinneswandel, der für die Offenheit seines Vorsitzenden spricht.

Ein Blick in die Vergangenheit

Schon bald, nachdem der G-BA seine Arbeit aufgenommen hatte, haben sich in Deutschland Cannabisfachverbände aus dem Gesundheitswesen zusammengeschlossen, um ihre Sicht der Dinge darzustellen und auch im Austausch mit dem G-BA sinnvolle Lösungen für den Auftrag des G-BA durch den Gesetzgeber zu finden. „Der G-BA wurde vom Gesetzgeber (…) beauftragt, das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der o.g. Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt, festzulegen.“ Auf der Grundlage der Entscheidung des G-BA soll der „§ 45 der Arzneimittel-Richtlinie – Leistungsgewährung medizinisches Cannabis (Ausnahmen vom Genehmigungsvorbehalt)“ geändert werden.

Die Verbände, darunter auch die ACM und das SCM, veröffentlichten am 30.11.2022 eine gemeinsame Stellungnahme. Sie fragten darin: Patient:innen zurück auf den Schwarzmarkt? – Gemeinsamer Bundesausschuss bedroht etablierte Versorgung von schwerstkranken Patient:innen mit Cannabis als Medizin. Die ACM hat – wie einige andere Verbände ebenfalls – dem G-BA eine eigene ausführliche Stellungnahme übermittelt.

Im März 2023 hat der G-BA beschlossen, dass Medizinalcannabis in die Arzneimittel-Richtlinie aufgenommen wird. Der Beschluss fiel weniger restriktiv aus als die Fachverbände befürchtet hatten. Vom Tisch war etwa die Idee eines so genannten Facharztvorbehaltes, nach dem nur noch Fachärzte Medizinalcannabis verordnen dürfen. Der Beschluss sorgte zwar für eine gewisse Erleichterung. Allerdings sahen die Fachverbände Nachbesserungsbedarf und die Notwendigkeit weiterer Reformen.

Der Unterausschuss Arzneimittel des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat in seiner Sitzung vom 7. November 2023 beschlossen, ein Stellungnahmeverfahren zur Änderung der Arzneimittelrichtlinie (AMRL) für die Verschreibung von cannabisbasierten Medikamenten einzuleiten. Dazu hat die ACM am 11. Dezember 2023 eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin wurde gefordert:

– Genehmigungsvorbehalt abschaffen

– Erfahrene Vertragsärzt:innen einbeziehen

– Allgemeinmediziner:innen nicht ausschließen

– Zusatzqualifikation „Cannabis-basierte Therapie“ etablieren

– Folgeverordnungen durch alle niedergelassenen Ärzt:innen ermöglichen

– Indikationen an die Behandlungsrealität anpassen

Am 3. Januar 2024 forderten die sich mittlerweile regelmäßig treffenden Fachverbände, man müsse „Raus aus der Cannabis-Unterversorgung“ kommen. In einer Stellungnahme hieß es:

„Eine optimale Versorgungslage für Patientinnen und Patienten kann jedoch nur gewährleistet werden, wenn der Genehmigungsvorbehalt vollständig abgeschafft wird, um Patientinnen und Patienten unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten Zugang zu ihrer notwendigen Therapie zu gewähren. Gleichzeitig müssen verschreibende Ärztinnen und Ärzte vor Regress geschützt werden. Daher fordern die unterzeichnenden Verbände den Gesetzgeber auf, die notwendigen Anpassungen im Rahmen der anstehenden Regulierungen, im Rahmen des Medizinalcannabisgesetzes (MedCanG), oder im Rahmen des Bürokratieabbaus im Gesundheitswesen vorzunehmen.“

Eine erste Einschätzung: Ein Beschluss mit 2 Gesichtern

Der G-BA hat sich im Laufe der Diskussion weit von seinen zunächst restriktiven Vorstellungen entfernt. Wir können zudem feststellen, dass das gemeinsame Vorgehen der Verbände aus Patient:innen, Mediziner:innen, Apotheker:innen und Wirtschaft eine erfolgreiche Strategie war, da das gemeinsame Auftreten zu einer Stärkung des Gewichts der vorgetragenen Argumente führte.

Das eine Gesicht: Die Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts für viele Arztgruppen wird den bürokratischen Aufwand für eine Verschreibung von Medizinalcannabis in vielen Fällen erheblich erleichtern. Dies gilt vor allem für Fälle, die eindeutig gelagert sind, mit einem offensichtlichen Vorliegen aller 3 Voraussetzungen für eine Kostenübernahme, etwa wenn die Erkrankung offensichtlich schwerwiegend ist mit einem GdB von über 50 %, wenn eine multimodale Therapie nicht zum gewünschten therapeutischen Erfolg geführt hat und auch die klinische Datenlage überzeugend ist.

Das andere Gesicht: Die vielen Klagen vor den Sozialgerichten zeigen, dass viele Fälle nicht so klar gelagert sind, auch solche, von denen ich – als Gutachter für Sozialgerichte – gedacht hätte, dass diese klar sind. Zwar wurde der Genehmigungsvorbehalt für viele Arztgruppen abgeschafft, das Damoklesschwert des Regresses bleibt jedoch bestehen. Ein Regress ist eine Strafzahlung eines Arztes, dem vorgeworfen wird, nicht wirtschaftlich gearbeitet zu haben. Ein solcher Regress kann 2 oder 3 Jahre nach der Verschreibung eines angeblich zu Unrecht verschriebenen Medikamentes erfolgen und hat zur Folge, dass der betroffene Arzt der Krankenkasse die Kosten der Behandlung aus eigener Tasche zurückzahlen muss. Es gab in der Vergangenheit nicht viele Regresse, bei einigen bewegten sie sich im 5-stelligen Bereich, zum Teil lagen Sie sogar über 100.000 €. In seiner Pressemitteilung warnt der G-BA daher vor dieser Gefahr und weist darauf hin, dass dieses Risiko durch einen freiwilligen Kostenübernahmeantrag reduziert werden kann:

„Eine Verordnung von medizinischem Cannabis ist generell nur möglich, wenn andere Leistungen, die den Krankheitsverlauf oder die schwerwiegenden Symptome positiv beeinflussen können, nicht zur Verfügung stehen und wenn Aussicht auf einen positiven Effekt von Cannabisarzneimitteln besteht. Ob diese Voraussetzungen bei einer Patientin oder einem Patienten gegeben sind, kann im Einzelfall von der Krankenkasse anders bewertet werden als von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Deshalb können auch fachlich ausreichend qualifizierte Ärztinnen und Ärzten eine Genehmigung der Verordnung bei der Krankenkasse beantragen, auch um finanziellen Rückforderungen der Krankenkasse (Regress) vorzubeugen. Eine abschließende Prüfung, ob auch eine wirtschaftlichere Auswahl des Cannabisprodukts möglich gewesen wäre, ist mit einer Genehmigung aber nicht verbunden.“

Ein Blick in die Zukunft

Erst die Zukunft wird wichtige Fragen beantworten können und über die Bedeutung des Beschlusses für die Versorgung der Bevölkerung mit cannabisbasierten Medikamenten entscheiden.

Werden Allgemeinmediziner und andere Fachärzte in Zukunft tatsächlich ohne eine Kostenübernahme ein Medikament auf Cannabisbasis verschreiben, wenn bereits der G-BA darauf hinweist, dass eine Prüfung durch die Krankenkasse möglicherweise sinnvoll sein könnte?

Werden die Krankenkassen vermehrt auf die Ausführungen des G-BA hinweisen, um einer relevanten Zunahme der Verordnungen zulasten der GKV entgegenzuwirken?

Werden Cannabisblüten in der Verschreibung zulasten der GKV noch eine Rolle spielen, nachdem das Bundessozialgericht festgestellt hat, dass Extrakte im Allgemeinen günstiger seien als Cannabisblüten?

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