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Cannabinoide und Terpene

Cannabis hat eine lange Tradition als Heilpflanze. In den mittlerweile etwa 600 entdeckten chemischen Verbindungen, die in verschiedenen Cannabissorten vorkommen, spielen insbesondere zwei Gruppen eine herausragende Rolle: Zum einen die Cannabinoide, die maßgeblich für die medizinische Wirkung und Verträglichkeit verantwortlich sind. Zum anderen die Terpene, die den Geruch und den Geschmack prägen und somit das typische Cannabisaroma ausmachen.

Pflanzliche (Phyto-)Cannabinoide

Tetrahydrocannabinol (THC, genauer (–)-Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol, auch Dronabinol) ist der am besten erforschte Wirkstoff der Cannabispflanze, der zugleich die wichtigste psychotropisch bzw. berauschend wirksame Substanz ist. Eine weitere bedeutende aus der Cannabispflanze gewonnene Substanz ist Cannabidiol (CBD). CBD hat keinen euphorischen oder narkotischen Effekt, weist jedoch antiepileptische, angstlösende, antipsychotische und entzündungshemmende Eigenschaften auf. THC und CBD sind die beiden Hauptsubstanzen, die in der Pflanze in besonders hohen Konzentrationen vorkommen, häufig in ihrer sauren Form (THCA, CBDA). Erst durch die Einwirkung von Hitze (Decarboxylierung) entstehen die bioaktiven Moleküle THC und CBD, die vom Körper aufgenommen werden können. Die Phytocannabinoide werden in den Drüsentrichomen der Pflanze produziert. Cannabis enthält jedoch weit mehr Phytocannabinoide, nach aktuellen Schätzungen etwa 150 verschiedene Substanzen. Neben THC und CBD sind zwei weitere Cannabinoide schon länger bekannt und relativ einfach zu extrahieren: Cannabigerol (CBG) und Cannabichromen (CBC).

Körpereigene (Endo-)Cannabinoide

Endocannabinoide sind körpereigene Substanzen, die also natürlich vorkommen und von Menschen und anderen Tieren selbst produziert werden. Solche Endocannabinoide können im Gehirn oder in anderem peripherem Gewebe gebildet werden. Endocannabinoide sind klassischerweise neuromodulatorisch aktiv, unterscheiden sich jedoch von typischen Neurotransmittern dahingehend, dass sie dort gebildet werden, wo sie wirken. Besonders gut bekannte Endocannabinoide sind:

  • 2-Arachidonoylglycerol (2-AG): Dieser Cannabinoid-Rezeptor-Agonist aktiviert die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 (Vollagonist).
  • Anandamid/Arachidonylethanolamid (AEA): Anandamid ist ein Cannabinoid-Rezeptor-Agonist, der die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 aktiviert. Dabei ist die Aktivierung von CB2 jedoch schwächer ausgeprägt (Partialagonist) als bei 2-Arachidonoylglycerol.

N-Palmitoylethanolamid (PEA) zählt nicht zu den eigentlichen Endocannabinoiden, da es nicht direkt an die beiden Rezeptoren CB1 und CB2 bindet, verstärkt jedoch die Aktivität von Anandamid. PEA wird bei einer Reihe von Erkrankungen als Behandlungsansatz untersucht. Oleoylethanolamid (OEA) ist ein Anandamid ähnelndes, kürzeres Molekül, scheint jedoch entweder unabhängig vom Endocannabinoid-System zu agieren oder über den Rezeptor GPR119, der inzwischen als möglicher weiterer Teil des Endocannabinoid-Systems diskutiert wird.

Synthetisch hergestellte Cannabinoide

Im Labor hergestellte, synthetische Cannabinoide sind teils Duplikate bereits bekannter Endocannabinoide, können aber auch neuartige Cannabinoide sein. Nabilon ist beispielsweise ein THC-Abkömmling, der als Fertigarzneimittel (Canemes®) zur Behandlung von erwachsenen Krebspatienten mit Übelkeit und Erbrechen infolge einer Chemotherapie.

Aktuell sind folgende synthetischen Cannabinoide in der medizinischen Forschung von besonderem Interesse:

  • JWH-133
  • (R)-Methanandamide
  • HU-308
  • JTE-907
  • SR 144,528

Besonderheit: Terpene

Terpene stellen eine sehr große und zudem weit verbreitete Gruppe von Naturstoffen dar, die vor allem in Pflanzen, aber auch in Tieren und Mikroorganismen vorkommen. Bei der weiblichen Cannabispflanze sind sie hauptsächlich im Harz enthalten und sorgen für das charakteristische Cannabisaroma. Sie kommen in unterschiedlichen Mengen in verschiedenen Cannabissorten vor. Die Genetik, aber auch die Anbaubedingungen beeinflussen dies und führen zu einem einzigartigen Terpenprofil für jede Sorte.

Terpene weisen pharmakologische Eigenschaften auf und tragen auch zur Gesamtwirkung von Cannabiszubereitungen bei. Schon seit langer Zeit werden sie unter anderem als Hauptbestandteile ätherischer Öle in der Naturheilkunde geschätzt, insbesondere aufgrund ihrer antimikrobiellen, entzündungshemmenden, schmerzlindernden und beruhigenden Effekte.

Entourage-Effekt

Terpene stehen auch im Zusammenhang mit dem sogenannten „Entourage-Effekt“. Sie könnten die biologische Aktivität von Cannabinoiden verstärken oder modulieren. Diese synergistische, überadditive Wirkung könnte erklären, warum die Anwendung von Cannabisblüten manchmal als effektiver wahrgenommen wird als die Einnahme isolierter Cannabinoide. Zudem könnten unterschiedliche Terpenprofile trotz identischer THC- oder CBD-Gehalte auch zu variierenden Wirkungen und Verträglichkeiten führen.

Abb.: Entourage-Effekt: Synergistisches Zusammenspiel von Pflanzeninhaltsstoffen

Hinweis: In Zukunft könnte es zunehmend wichtig werden, nicht nur den THC- und CBD-Gehalt zu berücksichtigen, sondern auch das spezifische Terpenprofil. Dies könnte eine gezieltere therapeutische Anwendung und eine bessere Anpassung der Therapie an bestimmte Erkrankungen und Symptome ermöglichen. Dafür sind jedoch weitere Forschungsarbeiten und valide Studien erforderlich.

Die wichtigsten Terpene in Cannabis

Terpen (Auswahl, alphabetisch)Aroma / GeschmackMögliche WirkungenSiedepunktVorkommen in weiteren Pflanzen (Beispiele)
α-Pinennach Kiefer, frischentzündungshemmend, bronchodilatatorisch, antibiotisch155 °CNadelhölzern, Eukalyptus, Kümmel
β-Caryophyllenpfeffrig, würzigentzündungshemmend, schmerzlindernd130 °CPfeffer, Nelken, Zimt, Rosmarin, Kümmel
β-Myrcenerdig, moschusartig, fruchtigentzündungshemmend, entspannend, schmerzlindernd167 °CKiefer, Wacholder, Salbei, Pfeffer, Hopfen
Geraniolblumig, süßantioxidativ, schmerzlindernd, beruhigend, entspannend230 °CRosen, Bergamotte, Wermut, Koriander
Limonenzitrusartig, frischangstlösend, stimmungsaufhellend, antimikrobiell176 °CZitrusfrüchte, Koriander, Kümmel, Dill, Lorbeer
Linaloolblumig, lavendelartigberuhigend, entspannend, schmerzlindernd, angstlösend198 °CLavendel, Anis, Hopfen, Koriander
Ocimensüß, blumig, krautigantioxidativ, entzündungshemmend, antiseptisch100 °CMinze, Basilikum, Oregano
Terpinolenblumig, krautig, holzigantioxidativ, schmerzlindernd, beruhigend186 °CMuskatnuss, Wachholder, Baldrian, Sellerie

Weiterführende Quellen/Literatur

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