Kein BtM-Status mehr, Teillegalisierung, ein verständnisvoller G-BA: Auch die Regularien für den medizinischen Gebrauch von Cannabis sind zuletzt gelockert worden. Doch der Zwist mit den Kassen ist damit nicht behoben, berichtet Professor Sven Gottschling im „ÄrzteTag“-Podcast.
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Beim Cannabis auf Kassenrezept scheiden sich nach wie vor die Geister zwischen Ärztinnen und Ärzten auf der einen und Krankenkassen auf der anderen Seite. „Die Kassen wehren sich nach wie vor mit allem, was sie haben“, berichtet Professor Sven Gottschling, Chefarzt am Zentrum für altersübergreifende Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie am Universitätsklinikum des Saarlandes, im „ÄrzteTag“-Podcast.
An der Situation habe auch der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vor gut 15 Monaten grundsätzlich nichts geändert, der unter anderem Hausärzten weiterhin erlaubte, Cannabis auf Kassenrezept zu verordnen und zudem Erleichterungen bei der Versorgung von Patienten in der Palliativmedizin mit sich brachte. Vor allem die Auswirkungen des Urteils des Bundessozialgerichts aus 2022 mit den erhöhten Anforderungen an die Dokumentation und Begründung der Verordnung beim Antrag an die Krankenkasse seien deutlich spürbar.
Immerhin sei es eine Erleichterung, dass in der Speziellen Ambulanten Palliativversorgung SAPV kein Antrag mehr gestellt werden müsse, so Gottschling. „Aber wenn dann palliativ versorgte Patienten sich stabilisieren und zeitweise in die Regelversorgung zurückkönnen, dann muss sofort ein Antrag gestellt werden für die weitere Verordnung“, warnt der Palliativmediziner, der seit rund 25 Jahren Erfahrung mit der Verordnung von Cannabis gemacht hat.
Im Gespräch berichtet er weiter über Praktiken von Telemedizin-Plattformen, die eine private Verordnung von Cannabis ohne Arzt-Patienten-Kontakt ermöglichen. Das sei „keine seriöse Medizin“, vielmehr eher ein „grauer Markt“, so Gottschling, der ein konsequentes standesrechtliches Vorgehen der Landesärztekammern gegen derartige Praktiken fordert. Zumindest Cannabis-Blüten seien für seine Patienten teilweise schwer zu bekommen wegen der vielen Privatrezepte, die ausgestellt werden. Die meisten seiner Schmerzpatienten versorgt er allerdings mit Extrakten wie Dronabinol, hier gebe es noch keine Probleme.
Im Gespräch beschreibt der Mediziner auch, inwieweit Ärztinnen und Ärzte, die Cannabis verordnen, trotz Genehmigungsvorbehalts von Regressen bedroht sein könnten, er berichtet über den restriktiven Umgang der privaten Krankenversicherungen mit dem Thema – viel mehr noch, als dies bei der Beihilfe üblich ist. Nicht zuletzt beschreibt er die Entwicklung der Evidenz bei der Verwendung von Cannabis, insbesondere bei chronischem Schmerz und Nervenschmerz. (Dauer: 31:26 Minute)